Eutiner Hospizgespräche 17.November 2022
Eutiner Hospizgespräche: 17. November 2022 in der Kreisbibliothek Eutin
Walter Joshua Pannbacker vom Landesverband der jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein
Informationen aus anderen Kulturkreisen: Jüdische Sterbekultur
Walter Joshua Pannbacker stellt kurz den Landesverband der jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein vor, für den er im Land tätig ist. Zu seinen persönlichen Aufgaben gehört unter anderem der Besuch von Kranken und Sterbenden und die Betreuung der Hinterbliebenen.
Die Gläubigen im Judentum suchen nicht wie im Christentum danach, zu erfahren, wie Gott sein könnte, sie wollen ihn nicht erfassen. Vielmehr steht der Mensch mit seinem Tun im Mittelpunkt. Der Glaube ist darauf gerichtet, daran zu arbeiten, den Geboten entsprechend idealerweise ständig ein bisschen besser zu werden, solange man lebt. Die Mitzwa ist eine „Pflicht zum Guten", ein Gebot, eine gute Tat zu tun. Über allem steht die Pflicht zum Erhalt des menschlichen Lebens, außer wenn sich bereits abzeichnet, dass der betroffene Mensch innerhalb der kommenden 48 Stunden verstirbt.
Dem Sterbenden wird zugehört, seine Fragen werden beantwortet, er wird aber nicht aktiv abgelenkt. Er erhält Verpflegung, Unterstützung, Pflege und Reinigung. Den Sterbenden werden dann Sterbegebete vorgelesen. Man hat Gebetbücher sowie einen Gebetsschal und eine Kopfbedeckung dabei.
Nach dem Tod beginnt ein genau vorgeschriebener traditioneller Ablauf. Der Tote wird direkt auf den Fußboden gelegt, weil das Bett als erhöhte Position den Lebenden vorbehalten bleibt.
Die Bestattung findet innerhalb von 24 Stunden statt, in Jerusalem sogar vor Ablauf der folgenden Nacht. Eine Kerze wird aufgestellt, die Fenster werden geöffnet, um der Seele den Ausgang zu erleichtern und die Spiegel werden verdeckt, damit die Seele von ihrem Weg nicht abgelenkt wird.
Der Tote wird dann von Angehörigen der jüdischen Gemeinde abgeholt, mit der vorgeschriebenen Menge warmem Wasser gewaschen und damit rituell gereinigt. So erreicht der Verstorbene den Zustand der Tahara, der religiösen Reinheit, wird in Totenkleidung gehüllt und ist geeignet, vor Gott zu treten.
Die Beisetzung erfolgt für alle Juden gleich in einem sehr einfachen Holzsarg. Im Tod gibt es keine Unterschiede.
Die Totenkleidung besteht oben aus einem Hemd, der Unterkörper wird in eine unten verschlossene Hose gehüllt. Die Füße werden in sackförmige Beutel gehüllt, nichts wird verknotet. Der Leichnam wird dann in einen Kittel gehüllt, den jeder Jude schon zu seiner Hochzeit und jährlich zum Feiertag Jom Kippur trägt. Eine Kapuze wird über den Kopf gesetzt.
In den Sarg kann ein unbrauchbares religiöses Buch gelegt werden und möglichst immer ein kleiner Beutel Erde aus Jerusalem. Vom Gebetsschal des Verstorbenen wird eine Ecke abgeschnitten, er ist ja zu nichts mehr verpflichtet.
Etwas Erde und Tonscherben werden auf Augen, Herz und Mund gelegt, er soll nicht sehen, fühlen und sprechen. Die Hände liegen locker seitlich am Körper, der Verstorbene lässt alles los.
In der Trauerwoche wird die Familie von der Gemeinde mit allem versorgt, sie muss und soll sich um nichts kümmern.
Im Trauerjahr nehmen die Trauernden außer an Hochzeiten an keinen fröhlichen Veranstaltungen teil.
Die Trauerfeier selbst verläuft sehr zügig, dann eilen die Beteiligten zum Grab. Besondere Kleidung ist nicht vorgeschrieben. Die Kleidung kann aber weiße Teile enthalten. Blumen kommen nicht vor.
Alle schaufeln dann, nachdem der verstorbene Körper in die Erde gelegt ist, gemeinsam das Grab zu. Das Grab besteht dann ewig und wird nicht aufgelöst. Ggf. wird die Fläche in mehreren Schichten genutzt. Nach einem Jahr wird der Grabstein aufgestellt und die Familie kommt fröhlich zusammen. Das Grab wird nur selten besucht.
Detlev Seibler