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Eutiner Hospizgespräche März 2019 Viva la Muerte! - Eine mexikanische Tradition: „El Día de los Muertos"

Donnerstag, 21. März 2019, Viva la Muerte! - Eine mexikanische Tradition: „El Día de los Muertos":
Claudia Chávez de Lederbogen, Ethnologin M.A., Hamburg

Claudia Chávez de Lederbogen stellte in einem sehr lebendigen Vortrag mit vielen farbenfrohen, eindrucksvollen Fotos die mexikanische Tradition „Día de los Muertos" vor. In die Eutiner Kreisbibliothek waren etwa 50 Zuhörer gekommen und waren von der ansprechenden Vortragsart der Hamburger Ethnologin sehr angetan.
Gliederung
1. Wurzeln des Festes: Tod und Jenseitsvorstellungen in der vorspanischen Zeit
2. Entwicklung in der spanischen Kolonialzeit: Beispiel Jungfrau von Guadalupe
3. Bedeutung der Ebenen und Elemente des Altars
4. Ablauf des Día de los Muertos heute

1. Wurzeln des Festes: Tod und Jenseitsvorstellungen in der vorspanischen Zeit
Der Tod wird in dem Glauben der vorspanischen Völker Mexikos als der Beginn von etwas Neuem gesehen, eher eine aktive Ruhe denn ein absolutes Ende. Dies wird dadurch deutlich, dass es in der Sprache der Urbevölkerung überhaupt kein Wort für den Tod gibt.

Wichtigste Gottheit ist in diesem Zusammenhang Mictlantecuhtli, Herrscher des Totenreiches Mictlan - seine Gefährtin war Mictecacihuatl. Er ist Herrscher der 9. Ebene der Unterwelt, die Teil der drei Ebenen Himmelswelt, Erde und Unterwelt ist. In diesem Jenseits sind die Toten entsprechend ihren Todesarten, aber auch ihres Alters – z.B. Kinder – in verschiedene Bereiche eingeordnet.

Am Día de Muertos (auch Día de los Muertos, „Tag der Toten"), einem der wichtigsten mexikanischen Feiertage, wird traditionell der Verstorbenen gedacht.

In Zentralmexiko ist dies die wichtigste religiöse Feier des ganzen Jahres. Grundlage dieses Feiertages ist die von den eingeborenen Völkern Mexikos stammende Vorstellung, dass die Geister der Verstorbenen am Día de los muertos ihre Familien und geliebten Menschen besuchen kommen. Im Rahmen dieser Mythologie stirbt eine Seele nicht, sondern verweilt am jenseitigen Ort des Todes und kehrt jedes Jahr an einem bestimmten Tag auf Besuch ins Diesseits zurück, um dann mit den lebenden Verwandten zu feiern: „Schon die Auffassung, dass der Tote im Jenseits Urlaub bekommt, um in der Mitternachtsstunde seine auf Erden zurückgebliebenen Angehörigen zu besuchen, ist von charakteristischer Eigenart. Ein illustrer Gast, den man festlich empfangen und bestens bewirten muss."

2. Entwicklung in der spanischen Kolonialzeit: Beispiel Jungfrau von Guadalupe
Nach dem Kalender der Azteken fiel dieser Tag in den Zeitraum zwischen Ende Juli und Anfang August, wurde aber durch die christlichen Priester der Conquista während des 16. und 17. Jahrhunderts auf Allerheiligen verschoben.

Die Verschmelzung dieser beiden Traditionen führte dazu, dass die Mexikaner den Tag der Toten während der ersten beiden Tage im November feiern, was schließlich zur heutigen Form eines der wichtigsten Feste in Mexiko führte.

Unsere Liebe Frau von Guadalupe (span. Virgen de Guadalupe‚ „Jungfrau von Guadalupe") ist ein Gnadenbild Marias. Vom 9. bis 12. Dezember 1531 erschien im Stadtviertel Guadalupe am nördlichen Stadtrand von Mexiko-Stadt dem Indio Juan Diego Cuauhtlatoatzin der Überlieferung zufolge viermal eine schöne Frau, die sich als „Maria, die Mutter des einzig wahren Gottes , durch den das Leben ist, des Schöpfers der Menschen, des Herrn" bezeichnete. Sie beauftragte Juan Diego, dem örtlichen Bischof zu übermitteln, dass am Berg dieser Erscheinung eine Kapelle errichtet werden sollte, sie wolle den Menschen dort ihre Liebe als mitleidvolle Mutter zukommen lassen. Der Bischof bezweifelte den Bericht und verlangte ein Zeichen. Als tags darauf der Indio vor dem Bischof seinen Mantel ausbreitete, in dem er auf Geheiß seiner Auftraggeberin mitten im Winter blühende, duftende Blumen gesammelt hatte, und auf dem Mantel das Gnadenbild Mariens erschien, erkannte der Bischof die Echtheit der Erscheinung an und erfüllte den Wunsch des Bittstellers.

Am Ort der Erscheinung wurde zunächst eine Kapelle errichtet, 1709 wurde die erste Basilika geweiht, die später zu einem Museum umgebaut wurde. 1974 wurde die neue Basilika konsekriert. Unsere Liebe Frau von Guadalupe ist das bedeutendste Marienheiligtum Mexikos und zählt zu den bekanntesten Gnadenbildern der Welt. Der Wallfahrtsort Villa de Guadalupe ist ein Viertel von Mexiko-Stadt und befindet sich auf dem Berg Tepeyac.

3. Bedeutung der Ebenen und Elemente des Altars
An den Feiertagen ist das Herzstück der Feierlichkeiten der Altar oder Ofrenda, der entweder zu Hause oder auf einem Friedhof aufgebaut wird. Diese Altäre dienen aber nicht der Anbetung. Sie sollen vielmehr die Geister der Toten im Reich der Lebenden willkommen heißen. Daher sind sie reichlich mit Gaben bestückt – Wasser, um den Durst der langen Reise zu stillen, Essen, Familienfotos und eine Kerze für jeden toten Verwandten. Falls einer der Geister ein Kind ist, findet man womöglich auch Spielzeug auf dem Altar.

Die Altäre sind in vier Ebenen gegliedert. Die oberste Ebene gehört Gott oder der Mutter Gottes, auch mit einem Blumenbogen. Die 2. Ebene gehört den Heiligen, die 3. Ebene den toten Erwachsenen und die 4. Ebene den toten Kindern.

Insgesamt ist das Mexikanische Totenfest keine Trauerveranstaltung, sondern ein buntes Volksfest.

4. Ablauf des Día de los Muertos heute
Folgt man dem mexikanischen Volksglauben, so statten die Verstorbenen den Angehörigen, Familien und Freunden in der Nacht zum 2. November einen Besuch ab. Zunächst werden die verstorbenen Seelen am Abend des 1. November im eigenen Haus an der eigens für den bzw. die Toten errichteten Ofrenda empfangen. Anschließend zieht man gemeinsam zum Friedhof und feiert dort die restliche Nacht essend, trinkend, tanzend und musizierend den Abschied der Verstorbenen - bis zum nächsten Día de Muertos.

Obgleich die Nacht zum 2. November den Höhepunkt im Rahmen des Día de Muertos bildet, dienen bereits die Tage davor dem Gedenken an Tote, die unter bestimmten Umständen ums Leben kamen:

  • Die Nacht vom 28. zum 29.Oktober wird den Seelen der Verstobenen gedacht, die bei Unfällen, Selbstmord oder Mord zu Tode kamen. Ihnen zum Gedenken wird eine Kerze aufgestellt.
  • Die Nacht vom 29. zum 30.Oktober wird den Seelen der Verstobenen gedacht, die ohne Taufe oder letzten Segen gestorben sind. Ihnen zum Gedenken wird eine Kerze aufgestellt.
  • Die Nacht vom 30. zum 31.Oktober wird den Seelen der Verstorbenen gedacht, die keine Angehörigen haben. Ihnen zum Gedenken wird eine Kerze aufgestellt.
  • Die Nacht vom 31.Oktober zum 1.November ist die Ankunft der " angelitos", der als "Engelchen" bezeichneten toten Kinder. Für diese angelitos wird ein spezieller Altar aufgebaut. Zu den Ofrendas zählen auch Totenköpfe aus Zucker und die Lieblingsspeisen sowie das Lieblingsspielzeug der Kinder.
  • Die Nacht vom 1. zum 2. November ist die Ankunft der Seelen der verstorbenen Erwachsenen. Für die verstorbenen Erwachsenen wird ebenfalls ein Altar mit speziellen Opfergaben aufgebaut.

Die leuchtend orangefarbene Cempasúchil, oder auch Flor de Muertos („Blume der Toten") eine Tagetesart, wird zusammen mit Ringelblumen und gelben Chrysanthemen als Empfangsteppich und Wegweiser für die Verstorbenen vom Haus bis zum Friedhof ausgelegt, damit diese sicher zum Familienfest finden. Man glaubt, dass Verstorbene die Farben Orange und Gelb am besten erkennen können.

Der Rauch aus den Räucherkerzen, welche aus Baumharz gemacht werden, sollen Lob und Gebete übertragen und den Bereich um den Altar herum reinigen.

Überall dabei ist die berühmte Skelett-Dame La Catrina. Sie stellt eine bedeutsame Figur im Rahmen des „Día de los Muertos" dar: Mexikaner verkleiden und schminken sich mit den typischen Assessoires von La Catrina, spazieren auf den Straßen oder in den Parks damit herum, lassen sich fotografieren und stellen bestimmte Posen von La Catrina nach. Daneben ist La Catrina am 'Tag der Toten' auf zahlreichen Bildern, papeles picados (Scherenschnitten), Spielzeugen und Süßwaren abgebildet.

Die Wurzeln von La Catrina liegen weit zurück und sind auf die ersten Künstler zurückzuführen, die das Genre der calaveras schufen, jener Darstellung Lebender in Gestalt von Totenschädeln und Skeletten. Die ersten dieser calaveras erschienen 1872 und enthielten direkte politische und karikaturistische Bezüge.

Konditoreien produzieren kurz vor Allerheiligen die „Dulce de Alfeñique", Totenschädel aus Zucker, Schokolade oder Marzipan als Gabe für die Altäre oder um sie sich gegenseitig zu Verschenken. Auch das „Pan de Muerto", das Totenbrot, ist ein beliebtes Naschwerk in diesen Tagen.

Literatur:

Slenczka, Anne: Das Totenfest (Día de Muertos) in Mexiko: eine indianische, christliche oder erfundene Tradition? In: Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde Hamburg. N.F. Bd. 32, 2002, S.56 -87

Azteken. Katalog zur Ausstellung im Martin-Gropius-Bau Berlin, 17. Mai – 10. August 2003. DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln,2003. Deutschsprachige Buchhandelsausgabe ISBN 3-8321-7219-X

Frühsorge, Lars (Hrsg.) et al.: Mesoamerikanistik. Archäologie, Ethnohistorie, Ethnographie und Linguistik. Eine Festschrift der Mesoamerika-Gesellschaft Hamburg e.V., Shaker Verlag, 2015

Detlev Seibler

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