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Essen und Trinken am Lebensende

Eutiner Hospizgespräche: 20. Februar 2020 in der Kreisbibliothek Eutin
Dr. Hermann Ewald MSc, Ärztlicher Leiter des Katharinen-Hospiz am Park, Flensburg
Dr. Ewald stellt seinen Vortrag zu dem Thema „Essen und Trinken am Lebensende" unter das Motto "Was ist anders – was ist wichtig?"
Bei Angehörigen stelle er oft fest, dass diese sich vor allem darüber Sorgen machten, dass ihre Kranken am Lebensende nicht essen und trinken. Sie können nicht verstehen, dass dies oft bedeutet, dass die Kranken Essen und Trinken nicht mehr vertragen.
Dabei müsse hier differenziert werden:

 

  • Bei mechanischen Problemen mit gestörtem Schluckvorgang haben die Patienten Hunger und Durst, können aber nicht essen und trinken. (Verschiedene lokale Krebsarten oder neurologische Systemerkrankungen)
  • Bei fortgeschrittener Demenz essen und trinken Menschen nicht mehr, weil es keine Rolle spielt. Sie haben keinen Nutzen durch eine PEG(Magensonde) zu erwarten, sondern Probleme.
  • In der Palliativmedizin vertragen die Patienten oft das Essen nicht, haben keinen Hunger. Meist handelt es sich dann um das Anorexie-Kachexie-Syndrom, bei dem die Patienten nicht essen können und gleichzeitig abnehmen, Muskulatur wird dann abgebaut. In einem Übergangsstadium kann Kortison kurzfristig helfen.
  • Bei einem freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit essen und trinken Patienten nicht, obwohl es möglich wäre.

 

Trockene Mundschleimhaut führt zu Durstgefühl und kann durch gute Mundpflege deutlich gelindert werden.
Bezüglich Flüssigkeitsgabe, zum Beispiel als Subkutaninfusion ist die Erkenntnis noch nicht genug bekannt: weniger Flüssigkeitszufuhr führt zu weniger Problemen im Sterbeprozess.

Zwar sagt man, dass Liebe durch den Magen geht, aber am Lebensende müssen andere Möglichkeiten gefunden werden, die Liebe zu zeigen. Solange dies noch möglich ist, müssen die Beteiligten sprechen, über die Sorge der Partner umeinander, um die Sorge der Kinder um die Eltern oder der Eltern um die Kinder. Man müsse auch über die Traurigkeit des Sterbenden und der Angehörigen ins Gespräch kommen.
Es führt zu Stress, wenn jeder für den anderen denkt, anstatt zu sagen, was ihn bewegt.
Zeichen und Symptome müssen jetzt unterschieden werden. Fehlender Appetit ist kein behandelbares Symptom, sondern ein Zeichen, aus dem wir sehen können, dass die Erkrankung sehr weit fortgeschritten ist und der Tod naht.
Unsere Aufgabe ist es in dieser Situation, nach der Bedeutung für die Betroffenen zu fragen. Was bedeutet es, zu sehen, dass der Angehörige selbst das liebevoll zubereitete Lieblingsessen nicht essen kann? Was bedeutet es andererseits, keinen Appetit zu haben und nicht essen zu können?
Was am Ende bleibt, ist Liebe und Spiritualität. Ehrlich währt auch hier am längsten: Beziehung geht verloren, wenn sich herausstellt, dass sie nicht ehrlich war.
Am Ende seines Vortrags stellt Dr. Ewald die Frage, ob freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit einen Suizid darstellt. Wie kann hiermit umgegangen werden? Ab welchem Zeitpunkt ist eine palliative Begleitung möglich? Er führt hierzu das Beispiel eines Patienten an, der bei mehreren Verwandten als Jugendlicher die Auswirkungen einer schweren, nicht behandelbaren vererblichen neurologischen Erkrankung selbst erlebt hatte. Er wollte, weil er erste Symptome bei sich wahrgenommen hatte, durch freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken sterben. Auf der Palliativstation verursachte dies Diskussionen und warf viele Fragen auf, die nicht befriedigend gelöst werden konnten.
In sehr intimer Atmosphäre fanden diese interessanten Hospizgespräche statt unter großer Beteiligung von etwa 40 Zuhörerinnen und Zuhörern. Alle waren erfüllt von einem Abend, der viele Fragen aufgeworfen aber auch viele Antworten gegeben hat.

Detlev Seibler

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